In der figürlichen, portraitrealistischen Malerei bei Andreas Bruchhäuser koexistieren zwei Stilwelten, ineinander verwoben bis zum unauflöslichen Amalgam, und doch sich wechselseitig widersprechend: Abstraktion und Physiognomie. Im einen Metier erweist Bruchhäuser sich als Strukturalist, im anderen ist er Phänomenologe, mit einem subtilen Blick fürs psychologische Detail. Auf der Ebene der Abstraktion konstituiert sich ein nirgends bestimmter, keiner Wirklichkeit eindeutig zuzuweisender, ein rein virtueller Raum, auf der Seite der Physiognomie springt dem Betrachter eine befremdliche, zuweilen berückende körperliche Präsenz entgegen. Aus einem Gewirr von Farben und groben Pinselführungen ersteht die leibhaftige Gestalt. Zufall und Notwendigkeit, das changierende malerische Material und der insistierende Formwille, gehen hier eine - wie mir scheint völlig neue - Verbindung ein.

Seit die Renaissance uns gelehrt hat, die zweidimensionalen Bildwerke im geistigen Auge zur Dreidimensionalität aufzufalten, hat sich unsere Wahrnehmung, der Blick für die Perspektive, mit den Gemälden gewandelt.

Alle späteren Auflösungsversuche zentralperspektivischer Bildorganisation haben sich an dieser frühen Konventionen orientiert, ob man an die Seestücke William Turners denkt, an Goyas flächige Figurenensemble, an Cézannes Baumgruppen und Hügelketten, an Braques gefaltete und geschachtelte Räume, an Monets flirrende Teiche, an die Vorherrschaft der reinen Farben beim blauen Reiter und bei einigen Malern der Brücke oder selbst an die dem absoluten Bewegungsimpuls folgenden expressiv-informellen Schriftzeichen eines Jackson Pollock: Immer wird der nivellierte Raum qua Wahrnehmungskonventionen dem Diffusionsprozess der Bilder hinzugefügt, in sie hineingelesen. Die zwei Dimensionen erhalten die Tiefe der dritten, auch wenn sie nicht dargestellt, selbst wenn sie ausgeschlossen werden sollte.

Bruchhäusers großformatige Figurendarstellungen machen sich diesen Prozess zunutze und kehren ihn zugleich um. Anders als in den gegenständlicheren Landschaften des Malers, tritt hier die freie Komposition von Farbe, Licht und Pinselschraffur hervor, ein konkreter Raum wird nirgends sichtbar. Allein das Ensemble von Helligkeit und Schatten, kräftigen Diagonalen oder weich gezeichneten Lichtreflexen vermitteln die Suggestion einer räumlichen Zuordnung, mit der sich die fragmentierten Figuren auseinanderzusetzen haben. Die Konturen der Dargestellten sind dabei in auffälliger Weise entgrenzt. Die Strichführung verbindet sich mit dem virtuellen Raum, dem sie so einen eigenen, neuen Fluchtpunkt verleihen. Alles wird auf die Subjekte, ihre individuelle Physiognomie bezogen, und doch löst sich dieses Selbst auf im Medium der Kunst. So wie Vorgrund und Hintergrund nur noch partielle Schlüssigkeit - als reines Konstrukt - erlangen, so ist die Position des Ich im lichten Raum merkwürdig unerklärt. Einerseits ist es Fragment, im Malprozess aus der Ganzheit der Gestalt herausgeführt und zerrieben, andererseits wirkt es als Definitionsmacht für das umgebende Farben- und Lichtspiel, prägt der quasi informellen Komposition eine neue Dreidimensionalität auf. Was die für-sich-seiende Form meinen könnte, drückt sich als Seelenzeichnung in der Physiognomie ab. Diese konstitutive Ambivalenz bestimmt vor allem die allegorisch aufgeladenen Bildmotive.
Die Allegorien des Andreas Bruchhäuser leiten sich von seiner Portraitmalerei im engeren Sinne her. Zielt letztere auf den gestalterischen Ausdruck der Wesensart des Abgebildeten, so vermitteln erstere psychologische Tiefe mit der Augenblicksaufnahme des bewegten Körpers.
Ohne eine Geschichte zu erzählen, sagen diese Körper, häufig Akte, mehr aus als ihre schiere Leiblichkeit. In "Mephisto" oder in "Inspiration Lear" sind sie mit dem Ballast der literarischen Tradition beladen, reiben sich an ihr, deuten sie neu.

Das gewitzt Weltmännische der Goethe-Figur wird wieder subaltern und dämonisch. Shakespeares tragisch gescheiteter König wandelt sich zum weltabweisenden Melancholiker.
Andere Bilder verzichten auf solche Anleihen. Unwirklich bewegt sich ein männlicher Akt durch einen Raum, in dem er selbst zu verschwinden droht. Leicht nach vorne geneigt, greifen seine Hände ins Leere, sein Schritt bleibt verhalten zurück, der Blick fasst das Erwartete, noch Unklare, mit einem Ausdruck, der zwischen Vorsicht und Entschlossenheit schwankt. Eine andere Figur kauert am Boden; niedergeschmettert, so scheint es, durch die Wucht einer kaltblauen Diagonale, die das Bild dominiert, greift sie sich mit beiden Händen den Nacken. Ein weiteres Bild nennt Bruchhäuser Erkenntnis.
Hier gehen die Hände zum Kopf, umfassen ihn von beiden Seiten und geben einen Gesichtsausdruck frei, der trotz des emphatisch klingenden Titels eher an einen Gepeinigten denken lässt. Auch die weiblichen Akte changieren; hier zwischen erotischer Sinnlichkeit, Laszivität und Gewaltphantasie, in einem Fall noch gesteigert durch die Allegorisierung zur Mutter Erde. Schließlich bringt die Allegorie "Geburt" eine erwachsene männliche Figur in freien Fall, einen Geworfenen, der sich geängstet und verunsichert auf der Grenze zwischen den Welten bewegt und doch eingebunden bleibt, letztlich gehalten wird im einen wie im anderen Zustand. Das selbst ist diffundiert ins kosmische All, empfindet sich als durchwoben von der Macht scheinbar chaotischer, naturhafter Prozesse und stellt doch die Sehnsucht nach der vorindividuierten Regression radikal in Frage.

Bruchhäusers große Allegorien tasten, zweifeln, suchen Halt, taumeln und verzweifeln. Sie sind auf der Suche nach Sinn, Substanz, einer metaphysischen Füllung, für die sie aber keinen anderen Bezugspunkt findet als das eigene Ich und die losgelöste Konstruktion des malerischen Mediums, das sie umgibt. Die Abstraktion ist bestimmt von der Abwesenheit einer vorgängigen Sinnstiftung, so sehr das entfaltete Licht auch auf innere, letzte Dinge zu verweisen scheint. Das abgebildete Individuum zerfließt also, genau besehen, in Struktur, in die Virtualität des Raumes, nicht in ein Idealbild des wellendurchwogten Wallens einer pantheistisch gestimmten Natur. So hatte die kulturkonservativ ausgelegte Malerei eines Böcklin oder eines Feuerbach seit der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts unentwegt das Erdig-Naturhafte als Allegorie inszeniert; und die Kulturphilosophie von Wagner über Nietzsche bis Klages hat Natur in diesem Sinne gedacht. Bei Bruchhäuser bleibt ein Rest an Mirakel und Mythisierung: Die Beschwörung der Grenzerfahrung, der Augenblick der Erkenntnis, die Faszination des Vitalen wie des Bösen, die Stilisierung des elementaren Seins; aber er bricht diese Motivik entschieden modern. Mehr noch: In der Brechung durch den virtuellen Raum erst werden die Bilder heutig, zeitgemäß. Sie entledigen sich der Sinnschwere des neunzehnten Jahrhunderts, ohne die Sinnsuche aufzugeben, sie im Zitat auszustellen.
Schon das fahle Licht der Landschaftsmalerei bei Bruchhäuser zeigt mehr einen Verlust an, nüchtern, kühl, ohne sentimentale Klage, statt einen Identifikations- und Projektionsrahmen für Wunschbilder abzugeben. Das Graubraun mancher Rheinszenen ist sachlicher als der photographische Blick. Die mit Pastell angelegten Bilder verlieren das herzeigbare Motiv, die eigentliche Mitte, und doch fesselt ein leichter Lichtreflex unter einem dieser schwefelgelben Himmel mehr als die intakte, panoramatisch aufgefächerte, in endloser Reproduktion sattgesehene Naturlandschaft. Bruchhäuser entwickelt auch hier eine Schule des Sehens, fordert einen neuen Blick auf die unscheinbaren, die kleinen Dinge; in der figürlicheren Malerei aber wagt er mehr.

Malerisch muss er hier gegen das Pathos arbeiten, das die Inhalte meinen. Was er an physiognomischer Präsenz entwirft, hat die Abstraktion seiner Räume ins Virtuelle zu überführen. Ein riskantes, kulturkonservativ befrachtetes Unternehmen; aber gelungen.

Dr. Heinz-Peter Preußer, Literatur-und Medienwissenschaftler, Universität Bremen

Eine Grenzposition und ein Beitrag zur Wiederbelebung der Portraitkunst kommt sicherlich dem zwischen 1965 und 1973 von Georg Meistermann gemalten Bildnis des Bundeskanzlers Willi Brandt zu, das bezeichnenderweise den Titel trägt:
"Farbige Notizen zur Biographie des Bundeskanzlers Brandt".

Meistermann hat die Wiedergabe der Physiognomie des Bundeskanzlers auf nur noch wenige, erkennbare Gesichtszüge reduziert, die sich in einem Meer von irisierenden, flirrenden Farben auszulösen scheinen. Hier wird die Farbe als ein der Schrift vergleichbares Medium angesprochen, mit deren Hilfe Inhalte transportiert werden, die nur auf diese Weise mitgeteilt werden können, die der Portraitkunst Aspekte gewinnen, die weder durch die Fotografie noch heute durch den Computer erbracht werden können.

Die dieser Darstellung zugrunde liegenden Theorien zur Farbe und ihrer Bedeutung weisen einen möglichen Weg für die moderne Portraitmalerei, der auch für die Arbeiten Andreas Bruchhäusers von Bedeutung ist, denn auch er benutzt bei seinen Portraits die Farbe in zweifacher Weise.

Bleibt sie in den frühen Selbstbildnissen noch durchaus an die Realität vorgefundene Farbe gebunden, Gegenstandsfarbe also, so gelingt es ihm zunehmend sie gleichzeitig auch als reinen Farbwert, als Farbe an sich, mit ihrer je spezifischen Ausstrahlung und raumschaffenden Wirkung einzusetzen und den Zusammenhang Farbe - Raum - Licht deutlich werden zu lassen. Indem er die Wiedergabe der Physiognomie von Gesicht und Händen durch eine traditionelle perfekte Malweise ein hohes Maß an Realitätsnähe verleiht, Inkarnat, Haare und Körperlichkeit so mit Farbe modelliert, macht er uns glauben, die Person vor uns zu haben.

Indem er sie aber anderseits in lichtdurchflutete, allein aus der Farbe und durch die Pinselführung geschaffene, imaginäre Farbräume stellt, große Teile des Körpers dabei wieder verdeckend, gibt er den Bildern eine andere zusätzliche Dimension. Hier hat die Farbe ihre Gegenstandsgebundenheit aufgeben, ist sie nicht mehr Gegenstandsfarbe, sondern Raum und Licht schaffendes, auf die Psyche des Menschen zielendes Medium.

Dieser dualen Vorgehensweise des Künstlers liegt die Überzeugung zugrunde, dass der Mensch nicht nur in einem äußeren, realen Raum lebt, sondern ebenso in den aus seiner Verfasstheit und Psyche erwachenden, inneren Seelenwelten.
Unter gleichzeitiger Beibehaltung des Wiedererkennungseffektes, gelingt es dem Maler etwas über den Portraitierten, sein Wesen auszusagen, sein Portrait abstrakt und realistisch, traditionell und avantgardistisch zugleich zu gestalten.

Dr. Ulrike Fuchs, Kunsthistorikerin, Westerburg

In einer Welt, in der der Mensch aufgrund der visuellen Reizüberflutung oft verlernt hat, die Schönheit der
Schöpfung in ihrer Ursprünglichkeit wahrzunehmen, mag eine auf eine auf altmeisterlichen Maltechniken fußende, Lichtdurchflutende, realistische Landschaftsmalerei wie Andreas Bruchhäuser sie zu einem Thema seines künstlerischen Schaffens gemacht hat, manchem gerade zu weltfremd erscheinen.

Wozu noch Landschaftsmalerei in einer Zeit, in der die Fotografie in ihrer technischen Perfektion jedes landschaftliche Detail genauer festzuhalten vermag, in der es möglich ist, per Mausklick durch die Landschaften ferner Länder zu surfen oder am Computer imaginäre Landschaftsräume zu entwerfen?

Wer sich auf die ausschließlich mit Pastellfarben gestalteten Landschaftsbilder Bruchhäusers einlässt, der wird sehr schnell feststellen, dass dem Maler nicht nur an einem rein äußerlichen Erfassen ganz bestimmter Landschaftsausschnitte gelegen ist.

Diese Entwicklung, so traditionell ihr heutiges Ergebnis dem Betrachter im ersten Moment erscheinen mag, war für Andreas Bruchhäuser nicht denkbar ohne den Einfluss seiner akademischen Lehrerin Frau Prof. Karin Rizza ( verheiratet mit dem Maler Karl Otto Götz ). Ohne ihn in seinem Festhalten an der Gegenständlichkeit und an traditionellen Maltechniken unter Druck zu setzen, gelang es ihr, bei dem jungen Maler das Interesse für die Bedeutung der malerischen Elemente als eigenständige Sprachmittel zu stärken. Wenn Bruchhäuser auch nicht für diese ungegenständliche, sich aus dem impulsiven Malvorgang entwickelnde Malerei zu gewinnen war, in den Augen der meisten seiner Mitkommilitonen ein "Exot" blieb, so setzt doch seine Werkentwicklung diese Kenntnisse der informellen Malerei und des Tachismus voraus.

Sie sind einer der Gründe dafür, dass Bruchhäuser den Bildraum nicht mehr aus linear konstruktiven Elementen aufbaut, sondern ihn aus farbräumlichen Elementen entwickelt.
Der die festen Konturen der Landschaften auflösende Lichtschleier lässt neue Strukturen entstehen, ermöglicht eine neue Sicht auf tiefer liegende Schichten. Obwohl Bruchhäuser heute die Motive für seine Landschaften in seiner unmittelbaren Umgebung, nämlich dem Rheintal zwischen Bonn und Bingen und den angrenzenden Mittelgebirgen findet, die Arbeiten einen hohen Wiedererkennungsgrad haben, sind es keine Veduten, sondern Landschaftsportraits, die nicht etwa Sichtbares abbilden, sondern Gedachtes, Gefühltes verbildlichen wollen. Mit dem Pastell fängt er die Stimmungen und deren Wirkung auf sich selbst ein und gestaltet, erschafft auf diese Weise Psychogramme der Landschaft. Aus einer inneren Notwendigkeit heraus entstehen in einer durchaus traditionellen Malweise Bilder, die durch Verreiben der Farben und deren Zusammenklang einen flirrenden, imaginären Raum beschwören, hinter dem das vorgefundenen Motiv, die reale Räumlichkeit zurücktritt, um Platz zu machen für einen gedanklichen Raum, der geheimnisvoll unbestimmt scheint.

So wird die Silhouette der Stadt Rüdesheim im abendlichen Licht zum Sinnbild einer Stadt am Wasser, verliert die Mainzer Rheinbrücke in "Rheinglitzern bei Mainz" sowohl ihre verkehrstechnische als auch ihre den Ort kennzeichnende Bedeutung, wird die Komposition notwendigen Horizontalen im fast monochromen Blau/Grau/Weiß des im schmalen Querformat eingefangenen Landschaftsausschnittes. Durch die Dualität aus Tradition und Moderne entzieht sich der Maler der Gefahr, in erstarrte Klischeevorstellungen oder in das Kitschige der Landschaftsmalerei abzugleiten. Vielmehr gibt er der Landschaft in Abgrenzung zur Landschaftsfotografie ein beeindruckendes neues Gewicht, verbildlicht er in ihr Sinnsuche in einer zeitgemäßen, modernen Weise.

In einer Zeit, in der innerhalb der großen Industrienationen 60% bis 80% der Bevölkerung in den Städten lebt, die Vielzahl der täglich wahrgenommenen Bilder von den Menschen nicht mehr verarbeitet werden kann, hat der Mensch die Fähigkeit des kontemplativen Schauens weitgehend verloren. Die Landschaft wird dem Zweckdenken entsprechend als Freizeit- und Erholungsobjekt wahrgenommen, die Natur in der Werbung zur "heilen Welt" stilisiert oder aber in sozialkritischer Absicht deren Beschädigung und teilweise Verwüstung thematisiert und angeprangert. Sich malend in die zahlreichen Stimmen der Zeitkritik einzureihen ist jedoch nicht die Absicht Andreas Bruchhäusers, eher nimmt er es in Kauf, dass seine Landschaftsbilder als schön konsumiert werden.

"Wenn der Betrachter die Landschaft in dieser Beleuchtung gesehen hätte, hätte er sie gar nicht so beeindruckend gefunden, wie sie im Bild erscheint", vermutet Andreas Bruchhäuser und verdeutlicht dadurch, dass er seine Aufgabe als Künstler darin sieht, etwas sichtbar zu machen, was der Betrachter ohne das Medium Kunst nicht erkennen , nicht sehen würde. Dabei wird das durch den subtilen Umgang mit der Farbe auf den Bildern eingefangene Licht zum Träger der Verbildlichung des eigentlich Unsichtbaren, nämlich der Frage nach der Schöpfung selbst.
Diese Bilder haben Bestand, sie verbrauchen sich nicht wie die Landschaftsbilder der Werbung, sondern fesseln durch ihre Schönheit und in noch stärkeren Maße durch ihre gedankliche Tiefe. Wie die Natur selbst hat man auch sie nie ganz erfasst, man kann sie immer wieder neu entdecken, Neues in ihnen und durch sie finden.
Der Maler selbst fasst seine künstlerische Intension mit den Worten zusammen: "Die Aufgabe der Kunst besteht nicht darin, lösbare Rätsel aufzugeben, alles in Frage zu stellen, sondern Geheimnisse zu verbildlichen, die letztlich das Geheimnis des Lebens selbst meinen.

Ulrike Beeck - Art Profil